Kurzgeschichten von Phil Humor

 
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Firmenaktien
Kurzgeschichte von Phil Humor


Als MP3 Hörbuch

Gabi Meyer öffnete die Bürotür und fragte: "Störe ich?"

"Sie haben keinen Termin."

"Ich habe ein Schwert."

Sie ging in das Büro und stellte sich vor die drei Männer, die dort in Ledersesseln saßen. Einer der Männer stand auf. "Was fällt ihnen ein? Wissen sie nicht, wer wir sind?"

"Sie sind meine Geiseln."

Gabi stupste den Mann mit ihrem Schwert gegen die Schulter und er fiel zurück in seinen Ledersessel. "Mein teures Sakko! Passen sie doch auf!"

"Ich habe aufgepasst, sonst wäre ihre Schulter jetzt durchbohrt und ihr Arm hinge schlaff herab."

"Wer sind sie?"

"Sie können mich nicht kennen. Ich bin eine ihrer Sekretärinnen. Ich arbeite erst seit zehn Jahren bei ihnen."

"Die Firma ist groß. Soll ich jeden Mitarbeiter morgens per Handschlag begrüßen? Ich habe Wichtigeres zu tun. Wollen sie sich auf diese Art bei mir vorstellen? Vergessen sie es - ich entlasse sie hiermit."

"Das können sie gar nicht. Sie haben mich bereits vorige Woche entlassen."

Einer der anderen Männer stand auf. Er griff zum Telefon auf dem großen Schreibtisch. Gabi haute auf das Telefon mit ihrem Schwert. Die Hand des Mannes zuckte zurück. "Ich hole die Polizei."

"Das habe ich bereits für sie erledigt. Wie es sich für eine gute Sekretärin gehört. Wenn sie aus dem Fenster schauen, können sie die Polizeiwagen sehen und wenn sie sehr genau hinschauen sogar die beiden Scharfschützen."

Der Mann schaute aus dem Fenster. "Darf ich die anderen beiden Herren auch zu uns bitten. Es geht gleich los."

Die beiden Männer in den Ledersesseln sahen sich an, dann stürmten sie beide gemeinsam zur Bürotür. Gabi war schneller und schloß die Bürotür mit einem Fußtritt. "Sind sie kräftig genug, um den Schrank vor die Tür zu schieben?"

"Fuchteln sie nicht andauernd mit diesem Schwert vor meiner Nase herum. Glauben sie, so ein Schwert macht sie allmächtig?"

Gabi gab dem Mann einen Stoß mit ihrer Hand. Bevor der Mann sie festhalten konnte, war sie schon zurückgewichen. "Sie sind schnell. Vielleicht war es ein Fehler sie zu entlassen."

"So rasch kommt bereits die Reue? Da sind wir noch gar nicht. Erst einmal erzähle ich ihnen, warum ich so wütend auf sie bin. Dann ist es Zeit für Reue und Buße. Am offenen Fenster. Die Presse wartet dort bereits."

Die beiden Männer schoben den Schrank vor die Bürotür. "Jetzt, meine Herren, dürfen sie mir einige Fragen stellen. Vielleicht beginnen sie, Herr Dr. Lamprecht."

Der Mann, der am Fenster stand, schüttelte den Kopf. "Sie sind mir egal. Von ihrer Verwirrtheit will ich so wenig wie möglich wissen. Die Polizei regelt das schon."

"Erst regle ich das hier. Was danach von ihnen übrigbleibt, damit kann sich die Polizei beschäftigen."

"Sie haben zu viele Kriminalfilme gesehen. - Ist das dort unten ein Kamerateam? Planen sie wirklich eine gräuliche Tat?"

"Ich lasse mich vom Moment inspirieren. Und ich höre darauf, was das Schwert zu mir spricht. Will es mich rufen zur Tat oder will es sich noch eine Weile ausruhen."

"Ich mache ihre Psychospielchen nicht länger mit. Ich steige aus."

Dr. Lamprecht öffnete das Fenster. Gabi sagte: "Das ist der dritte Stock. Sehr sportlich sehen sie nicht aus. Aber wenn sie es versuchen wollen, schaue ich ihnen gerne beim Abstürzen zu. Damit spare ich fünf Jahre Gefängnis. Soviel kostet es mindestens, wenn man einen seiner Chefs mit dem Schwert bearbeitet."

"Ach, hören sie doch auf mit diesem Schwert-Gerede. Das ist tiefstes Mittelalter."

"Aber sie geht sehr elegant damit um. Wo haben sie das gelernt?"

Die beiden anderen Männer stellten sich ebenfalls ans offene Fenster und sahen hinaus. "Herr Dr. Schmidt, ich freue mich über ihr Lob. Das erste Lob in dieser Firma seit zehn Jahren."

"Wieso hängen sie dann an ihrem Arbeitsplatz? Eine gewalttätige Frau wie sie, müsste doch überall Arbeit finden können."

"Ich war so wütend. Nie habe ich mir etwas zuschulden kommen lassen. Und dann ist mir dieser kleine Fehler passiert. Eine Reisebuchung, die keiner in Anspruch genommen hat. Ich habe die drei Tage genossen in dem schönen Hotel. Mailand. Wieso finden diese Seminare für Topmanager immer in den allerschönsten Gegenden statt?"

"Na, wenn das kein Kündigungsgrund ist! Sie haben der Firma geschadet. Ganz zu schweigen von dem immensen Vertrauensbruch."

Gabi holte tief Luft. "Am liebsten würde ich sie alle drei aus dem Fenster schmeißen. Da stehen sie hier vor mir und reden von Firmenschaden. Sie sind doch die größten Firmenschädiger. Mit welchem Mittel kommt man ihnen denn bei? Gegen Schädlinge helfen in der Pflanzenwelt Insektizide und Herbizide. Was hilft in der Wirtschaftswelt gegen Heuschrecken?"

Dr. Lamprecht sagte: "Soll das ein Gespräch werden über Firmenmanagement? Überfordere ich sie nicht damit?"

Jemand rief: "Sprechen sie bitte lauter. Selbst mit Richtmikrofon sind sie schwer zu verstehen."

Dr. Lamprecht beugte sich aus dem Fenster. Unten auf dem Rasen standen mehrere Menschen und blickten zu ihnen hinauf. "Verschwinden sie! Das ist Firmengelände."

"Wir sind hier wegen der Geiselnahme."

Dr. Lamprecht schloß das Fenster und sagte zu Gabi: "Sehen sie, was sie angerichtet haben?"

"Aber es geht doch erst los. Ich habe mein Unrecht in die Waagschale geworfen und danach ihr Unrecht. Ihr Unrecht ist viel schwerwiegender als meines. Allerdings ist alles, was sie getan haben legal. Und mein kleines Unrecht ist illegal. Das ist der feine Unterschied. Ich fragte mich daher, ob mit dem Recht selber etwas nicht stimmt. Wieso könnt ihr Topmanager mit euren Firmenaktien superreich werden, dabei gleichzeitig die Firma ruinieren und dann noch einen dicken Bonus kassieren? Ihr wißt genau, wann ihr eure Firmenaktien abstoßen müsst, kennt die eigenen Geschäftsberichte im Voraus. Insider-Wissen macht reich. Nur leider macht es auch die Firma arm. Denn ihr verfolgt kurzfristige Ziel. Das langfristige Wohlergehen der Firma interessiert euch nicht. Sollte es aber. Das machen gute Firmenchefs so. Ich habe zwar die Moral auf meiner Seite bei meinen Argumenten - aber was nützt mir das? Ihr steht auf der Seite des Rechts, es beschützt euch, beschirmt euch. Wie konnte es dazu kommen, dass dieser eklatante Widerspruch besteht zwischen Moral und Recht?"

"Wollen wir jetzt philosophisch werden? Mit dem Schwert in der Hand? Sie setzten sich immer weiter ins Unrecht. Sprechen von Dingen, die sie nicht verstehen."

"Sie haben die Forschungs- und Entwicklungsabteilung halbiert. Meine Freundin hat ihren Job verloren. Viele Geschäftsbereiche haben sie nach Indien ausgelagert. Früher war dieses hier ein solides Familienunternehmen."

"Und wenn sie damals eine Reise gemacht hätten auf Kosten der Firma, dann wären sie befördert worden? Ihr Unrecht können sie nicht vom Tisch fegen mit ihrer Heuschrecken-Fabel."

Dr. Schmidt betrachtete Gabis Schwert. "Es sieht scharf aus. Es ist kein Dekorations-Schwert? Keine Schauspieler-Requisite?"

Gabi haute mit dem Schwert gegen ein Bein des Schreibtisches. Der Schreibtisch kippte zur Seite. Dr. Schmidt wollte nach den Dingen greifen, die vom Schreibtisch rutschten, doch Gabi hinderte ihn daran. "Schauen sie, was sie gemacht haben."

"Und es wird noch besser. Dieses Schwert schneidet mühelos durch Tischbeine und Menschenbeine. Sehr praktisch, wenn man aufgebracht ist und seinen Zorn zum Ausdruck bringen will."

"Ich sollte sie zu meiner Leibwächterin machen."

"Ihren Leib würde ich gerne bewachen, Herr Kramer. Aber haben sie das nötig? Sie sehen fit genug aus, um Revolverkugeln mit stählerner Brust abzufangen."

Herr Kramer lächelte. "Sie haben vollkommen recht: Ich bin ein Superheld. Warum zittern mir dann die Knie, wenn ich neben ihnen stehe? Ich bin furiosen Frauen nicht gewachsen. Meine Ex-Frau hat das gnadenlos ausgenutzt. Immer wenn sie ihren Willen durchsetzen wollte, dann hat sie ihr Temperament auf die höchste Stufe gestellt."

"Ich wollte sie nicht verschrecken. Nur motivieren. Zu einem öffentlichen Sündenbekenntnis in Bezug auf diese Firma. Ihre privaten Sünden lassen sie bitte außen vor. Dafür haben wir jetzt keine Zeit."

"Vielleicht ist später dafür Zeit? Wenn wir zwei unter uns sind?"

"Wenn sie mich im Gefängnis besuchen wollen."

"Sie wollen für unsere Sünden ins Gefängnis gehen? So viel liegt ihnen daran, dass wir uns hier vor der Presse äußern?"

Gabis seufzte. "Ich verliere das Interesse daran. Meine Idee ist absurd. Nichts würde sich ändern. Man wird sagen: ich habe sie dazu gezwungen Lügenmärchen hinauszuposaunen."

Dr. Schmidt sagte: "Was ist Lüge? Mache ich mir selbst etwas vor, wenn ich behaupte, ich meine es gut mit der Firma? Meine ich es nicht vielmehr gut mit mir selbst? Na klar, dass Firmenaktien dazu verleiten, was daraus zu machen. Der Kurs soll in die Höhe gehen und ich habe dann meine Schäfchen im Trockenen. Mag sein, es ist für die Firma gut oder auch nicht. Wer vermag das zu sagen? Wer sieht die nächste Wirtschaftskrise voraus? Vielleicht ist diese Firma schon bald pleite. Dann habe ich zumindest für das jetzige Firmenwohl gesorgt. Und ja, ich sammle Insider-Wissen, versuche so viel wie möglich davon zu erhaschen. Das lässt sich gut zu Geld machen."

Gabi sagte: "Das klingt so unspektakulär. Ich habe mir das alles viel aufregender vorgestellt. Große, dramatische Enthüllung über die Machenschaften der Topmanager. Ich hätte einen Zeitungsbericht schreiben sollen, statt hier hereinzustürmen. Aber was ich noch sagen wollte: mein Hotel-Aufenthalt in Mailand hat die Firma absolut kein Geld gekostet. Es war alles bereits bezahlt; es war eine Einladung. Gewiss, es war nicht okay, aber eine fristlose Kündigung nach zehn Jahren ist ungerechtfertigt. Oder nur ein bisschen gerechtfertigt."

"Werden sie die Reparatur des Schreibtisches bezahlen?"

"Ich habe kein Gehalt."

"Sie könnten als Pressesprecherin bei uns anfangen. Ihr rigoroses Auftreten gefällt mir. So muss man umgehen mit den Leuten von der Presse: dominant, fordernd. Ich habe des Öfteren Probleme mit denen. Sie kennen seit zehn Jahren diese Firma. Wie wäre es? Möchten sie es versuchen?"

"Ist das ein Versuch mich zu überlisten oder meinen sie es ehrlich?"

Herr Kramer sagte: "Was haben sie zu verlieren? Die Aussicht uns drei dort vor dem Fenster sprechen zu hören? Wenn sie uns das ersparen, dann gibt es auch keine Anzeige wegen Geiselnahme. Sie wären weiterhin frei."

Gabi setzte sich in einen der Ledersessel. Sie fragte: "Bekomme ich Firmenaktien?"

ENDE

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Captain gegen Kater


Als MP3 Hörbuch

"Sie streichelt ihre Katze mehr als mich!"

Die Stewardess Betty kam in das Cockpit und sagte: "Ihr habt die Bordsprechanlage nicht ausgeschaltet. Bevor ihr weitersprecht, solltet ihr das vielleicht tun."

Robin, der Copilot, drückte auf den Ausschalter der Bordsprechanlage. Fred, der Captain, blickte sich um zu Betty. "Danke, Betty. Ich glaube, es ist schon das dritte Mal in diesem Monat, dass du mich daran erinnern musst. Ich bin unaufmerksam, unkonzentriert. Das liegt alles nur an Tom. Meine Frau verbringt mehr Zeit mit Tom als mit mir. Sie macht ihm das bessere Essen."

Betty nickte mit dem Kopf. "Und sie streichelt Tom öfters. Tom ist eine Hauskatze und kein Hausfreund nicht wahr? Ich kombiniere sehr schnell. Darum - und aus anderen Gründen - solltest du meiner Beförderung zur Chefstewardess zustimmen."

"Das kann ich nicht. Wenn du befördert wirst, dann habe ich dich nicht mehr in meiner Crew. Und dann plaudere ich über die Bordsprechanlage über die peinlichsten Momente in meinem Leben. Das verkraftet meine Seele nicht. Du siehst also, dass du für mein Seelenheil dringend notwendig bist, Betty."

Robin, der Copilot, grinste. "Und auch für mein Seelenheil. Du hast meinen achten Liebesbrief noch gar nicht beantwortet."

"Und auch die anderen sieben davor nicht. - Fred, du musst dich aussprechen. Dieses Katzenproblem gefährdet die Flugsicherheit. Ich verlasse nicht eher dieses Cockpit, als bis du wesentliche Fortschritte gemacht hast. Ich werde dazu jetzt ein paar peinliche Fragen stellen. Das ist notwendig und dient deiner Therapie. Keine Sorge, ich weiß was ich tue. Ich habe drei Semester Psychologie studiert."

Betty lehnte sich an den Sitz des Copiloten. Fred sagte: "Ach was soll's; wir fliegen per Autopilot, ich habe Zeit. Und ich bin dankbar, dass du dir Zeit nehmen willst. Es fing damit an, dass Susan, meine Frau, mit mir zum Sextherapeuten wollte."

Robin, der Copilot, räusperte sich. "Vielleicht sollte ich für einige Zeit das Cockpit verlassen."

"Das könnte auch für dich interessant werden, Robin. Du glaubst gar nicht wie diffizil und kompliziert Frauenseelen sind. Ich habe da einen Einblick bekommen beim Therapeuten: das ist eine fremde Welt. Wenn du die exakten Fachworte nicht kennst, outest du dich gleich als Ignorant und Macho oder irgend etwas Schlimmeres."

Robin sagte: "Vielleicht sollte ich die Bordsprechanlage wieder einschalten. Dann können auch unsere männlichen Passagiere davon profitieren. So im Sinne: hier spricht der Captain, wir durchfliegen gerade ein Beziehungstief und es wird heftige Turbulenzen geben."

"Du hast gut lachen, du bist Single."

"Ich bemühe mich, das zu verändern. Betty, willst du mir nicht dabei behilflich sein? Du scheinst ein hilfsbereiter Mensch zu sein."

Betty sagte: "Du bist mir nicht seriös genug. Ein Schmetterling, der von Blüte zu Blüte taumelt."

"Wer behauptet das? Ich habe seit langem schon keine Blüte besucht. Wenn ich bei der schönsten Blüte nicht landen kann, dann verzichte ich."

Fred sagte: "Vielleicht sollte ich lieber raus gehen. Wir übertrumpfen uns in peinlichen Bekenntnissen. Wozu die Liebe uns treibt."

Betty sagte: "Nur nicht den Mut verlieren. Peinlichkeit ist eine Barriere - wie die Schallmauer. Sie will durchbrochen werden. Was ist nun mit Tom, dem Kater, der für deinen Katzenjammer verantwortlich ist?"

"Ach, Tom hat keine Schuld. Ich habe beim Therapeuten gelernt, dass ich immer Schuld habe. Denn was ich selbst verschuldet habe, kann ich auch wieder verändern. Je größer ich mir mein Revier denke, für das ich verantwortlich bin - um so besser. Dann liegt es innerhalb meines Machtbereiches etwas zu verändern und umzugestalten, was mich stört. Dann habe ich gewissermaßen den Steuerknüppel in der Hand."

Robin sagte: "Das sagt ein Sextherapeut? Klingt pervers. Aber nicht uninteressant. Vielleicht sollte ich da auch einmal hingehen. Wir könnten da über unser Problem sprechen, Betty. Wir haben viel zu selten Sex."

Betty sagte: "Wir hatten noch nie Sex. Und die Chancen stehen gut, dass es so bleibt. Es sei denn, ich infiziere mich bei einem tropischen Insekt und verliere den Verstand."

"Nächste Woche fliegen wir in den Kongo. Da freue ich mich drauf."

Betty schmunzelte. Robin sagte: "Ich bringe dich zum Lachen. Das ist ein guter Anfang. Männer mit Humor stehen hoch im Kurs bei den Frauen."

"Es ist mir egal, was bei dir hochsteht."

Fred sagte: "Susan wird mich gleich am Flughafen abholen. Ich zittere schon bei dem Gedanken, was ich wieder alles verkehrt machen könnte. Seit wir bei diesem Therapeuten waren, ist alles noch viel schlimmer. Jetzt analysiere ich selbst mein Verhalten - und komme dabei ins Schleudern mit den einfachsten Handlungen. Auf einmal kann ich nicht einmal mehr meine Frau begrüßen oder ihr eine passende Antwort heraussuchen aus meinem Gedankentumult. Ich finde meine Gedanken vor lauter Gedanken nicht."

Betty sagte: "In solchen Fällen hilft Ehrlichkeit. Wenn du verwirrt bist, sage es. Wenn du eifersüchtig bist auf den Kater Tom, dann sage es."

"Susan stammt aus einer vornehmen Familie. Sie wollten sie mir gar nicht anvertrauen. Der Sarkasmus von Susans Vater ist legendär. Ich bin nicht aus Spaß unehrlich - es ist reiner Selbstschutz."

"Dann ist deine Ehe ein Schauspiel? Ihr führt es mit mäßigem Erfolg auf, scheint mir. Was hätte sonst der Kater Tom in der Besetzung zu tun - er scheint eine tragende Rolle zu spielen. Immerhin wendet Susan ihm ihre Aufmerksamkeit zu. Aufmerksamkeit ist die wichtigste Währung in jeder Beziehung. Wenn du viel Aufmerksamkeit bekommst, dann bist du reich. Das wissen schon die Kinder: sie versuchen mit allen Tricks die Aufmerksamkeit ihrer Eltern auf sich zu lenken. Insofern ist der Kater Tom ein ernstzunehmender Gegner."

"Wieso weißt du soviel von Tom? Der ist die Tücke in Person. Schon sein aristokratischer Gang - damit will er Eindruck schinden. Er glaubt, er ist was Besseres - wenn er mich so ansieht mit halbgeöffneten Augen. Als sei ich es nicht wert, dass er die Augen ganz für mich öffnet."

"Ist es eine edle Katze? Das Vornehme scheint dich an ihm am meisten zu stören. Susans Familie ist vornehm, reich, adelig?"

"Ja. Siehst du da eine Parallele?"

Robin sagte: "Die würde sogar ich sehen. Und ich rühme mich, dass ich psychologisch völlig unbeleckt bin."

"Bitte keine Worte aus dem Katzenbereich. Ich reagiere darauf allergisch."

Betty sagte: "Tja, Fred, ich sehe keine Alternative für dich: du musst den Weg zur Ehrlichkeit finden. Das Haupthindernis ist dabei deine Sorge, dass dein wahres Ich zu klein ist."

Robin sagte: "Ich hab's gewusst! Aber woher weißt du das Betty? Läuft da was?"

Fred sagte: "Ist die Bordsprechanlage wirklich aus? Ich quäle mich weiter durch dieses Gespräch, aber nur, weil ich Susan liebe. Ich will nichts unversucht lassen."

Betty sagte: "Hier im Cockpit ist dein Ich ausreichend groß - du bist mit dir zufrieden. Doch wenn du dich vergleichst mit Susans Vater, dann erscheint dir dein Ich zu klein. Und du musst es aufblähen durch viel heiße Luft: das hat wenig Stabilität und wankt."

"Könntest du andere Metaphern verwenden. Das erinnert mich an dieses Sextherapeuten-Gerede. Da gehe ich freiwillig nicht wieder hin. Und wenn meine Frau sich auf den Kopf stellt."

"Was ist das denn für eine Stellung? Die könnten wir auch einmal probieren, Betty."

"Ich würde dir gerne eine unverschämte Antwort geben auf deine unverschämte Bemerkung, aber ich finde dich allmählich unverschämt sexy. Mag sein, das liegt daran, dass wir beständig über Sex hier reden. Konzentrieren wir uns auf den Kater Tom und die Streicheleinheiten, die er kassiert und nicht du."

Fred sagte: "Susans Mutter züchtet Katzen. Eines dieser prächtigen Geschöpfe ist Tom. Der hat mehr Orden bekommen als mancher Flottenadmiral. Hochdekoriertes Vieh. Der gewinnt jeden Wettbewerb. Und jeden Tag wird er arroganter, herablassender."

"Du hast beruflichen Erfolg. Du brauchst dich nicht zu verstecken hinter Tom. Kann Tom ein Flugzeug fliegen?"

"Bestimmt. Der drückt mit seinem Samtpfötchen auf den Autopiloten und das war es. Was machen wir Flugkapitäne denn anderes?"

Robin sagte: "Betty, habe ich eben richtig gehört? Hier schnell, lies meinen Liebesbrief solange du in so gnädiger Stimmung bist."

Robin kramte einen Brief hervor und reichte ihn Betty. Sie las einige Zeilen. "Du steigerst dich. Das ist jetzt Minnesang-Niveau. Siehst du, wie gut es ist, wenn die Burgfrau unerreichbar ist? Das spornt die Kunstfertigkeit an bis zum Höchstmaß."

Fred sagte: "Meine Burgfrau erwartet mich gleich am Flughafen. Ich bin nur ein armer Troubadour."

"Du bist der weiße Ritter. Wenn du schon schauspielerst, dann suche dir lieber die Rollen aus, die dich zufrieden machen. Eine Ehe hat viel mit Schauspiel zu tun: wir spielen die uralten Rollen und spielen sie am besten, wenn wir uns nicht an das Drehbuch halten, sondern frei improvisieren. Wir gewinnen an Natürlichkeit im Schauspiel."

Fred seufzte. "Betty, eben sagtest du noch, ich solle es mit Ehrlichkeit versuchen. Das ist doch das Gegenteil von Schauspielerei."

"Ehrlichkeit ist nicht einfach; sie ist die schwierigste Form der Schauspielerei, die Krönung der Schauspielkunst: nicht nur den Zuschauer zu täuschen, sondern auch sich selbst. Im Spiel vergessen, dass man spielt und zu der Rolle werden, die man verkörpert. Ehrlichkeit ist gefährlich - nach einer Weile vergisst man den Weg heraus aus der Rolle und bleibt gefangen in ihr. Dann sagt man, man hat sich selbst gefunden."

"Wie findet man da wieder heraus?"

"Du musst wieder Abstand von dir selbst gewinnen; das ist möglich mit Humor. Oder in einem Gespräch mit Menschen, die einander vertrauen. - Du musst Susan vertrauen, dass sie deine Ehrlichkeit nicht missbraucht. Wenn du dieses Vertrauen nicht hast, dann brauchst du deine Ehe nicht weiter zu führen."

Fred sagte: "Es kann nicht sein, dass ich weniger Angst habe durch einen Tropensturm zu fliegen, als mit meiner Frau ehrlich zu sein. Ich habe immer Angst, ich mache etwas falsch, wenn ich von mir aus die Initiative ergreife und ein neues Restaurant vorschlage oder Variationen im Schlafzimmer. Auf mir lastet der Gedanke, sie hätte jemand Besseres verdient, an den ich nicht heranreiche."

"Und Kater Tom verkörpert diesen Snob, diesen Wichtigtuer?"

"Der Wichtigtuer bin ich selber. Du hast recht, es ist, als ginge ich die ganze Zeit auf Zehenspitzen und mache mich größer als ich bin."

"Nein, in Wirklichkeit, bückst du dich und deswegen erscheint dir Susan und ihre Familie als übergroß. Du blendest deine Stärken aus, redest sie klein. Zum Ehrlichsein gehört auch, sich zu seinen Stärken zu bekennen. Sie nicht zu leugnen. Denke von Zeit zu Zeit an deine Erfolge. Das ist nicht Selbstüberhebung sondern Selbstfindung."

Robin sagte: "Ich werde eine weise Frau heiraten."

Betty sagte: "Wird das ein Heiratsantrag?"

Robin nickte. "Den mache ich dir eines Tages. Ich würde es sonst mein Leben lang bereuen."

Er sah sie an. Sie gab ihm einen Kuss.



Susan stand vor einem Kiosk im Flughafen. Sie blätterte in einer Modezeitschrift. Kater Tom saß in einem Korb neben ihr. Fred blieb einige Schritte entfernt vor ihr stehen. Betty und Robin blieben ebenfalls stehen. Fred sagte zu Betty: "Ich habe alles vergessen, was du mir gesagt hast. Ich kann nichts verändern. Ich ernte den mitleidigen Blick des Katers und bald wird auch Susan mich so anblicken. Früher war ihr Blick freudig, feurig - ich bin mittlerweile ein Langweiler."

Betty sagte: "Also ich kenne fünf Stewardessen, die dem Langweiler freudige, feurige Blicke zuwerfen. Wie kann das sein?"

Freds Haltung straffte sich. "Richtig; an die eigenen Stärken denken und ehrlich sein - auch zu mir selbst."

Fred ging rasch die restlichen Schritte zu Susan hinüber. Sie blickte auf und sagte: "Auf die Minute genau. Wie schön."

Sie umarmte ihn. Fred räusperte sich und sagte: "Ich hasse den Kater."

Susan befühlte seine Stirn mit ihrer Hand. "Ist dir nicht gut? Ich bin so froh, dass ich nicht mit diesen Flugzeugen zu fliegen brauche. Keine zehn Pferde brächten mich da hinein."

Betty sagte: "Flugangst? Hatte ich auch."

"Wie haben sie das überwunden?"

Fred sagte: "Ich hasse den Kater."

Kater Tom hatte sich eine der Zeitschriften geangelt und zerfetzte sie genüsslich in seinem Korb. Susan reichte Robin die Hand und sagte: "Ich würde dich gerne zum Essen einladen. Du kennst Fred recht gut. Vielleicht kannst du mir helfen herauszufinden, was mit Fred los ist. Er ist in letzter Zeit sonderbar."

"Da könnte Betty dir noch hilfreicher sein."

Susan wandte sich an Betty: "So gut kennen sie meinen Mann? Das ist mir überhaupt nicht recht."

Robin sagte: "Betty und ich werden heiraten."

Susan sagte: "Das ist mir sehr recht. - Sag mal Fred, ist es wahr, dass du über die Bordsprechanlage gesagt hast: Sie streichelt ihre Katze mehr als mich?"

"Was man so sagt während eines Fluges. Ein Flug ist lang, der Autopilot macht die Arbeit, da kommen die Nervenzellen ins Schwingen und produzieren sonderbare Sätze."

"Ach so. Habt ihr da oben zu viele kosmische Strahlen? Du musst nicht als Flugkapitän arbeiten. Wir haben genügend Geld. Wir hätten Zeit für uns."

Betty sagte: "Ist es das? Vermissen sie Fred? Er ist oft unterwegs, lange fort. Von irgendwoher müssen die Streicheleinheiten ja kommen. Deswegen der Kater."

"Bitte? Was wollen sie andeuten? Dass ich meinen Mann mit einem Kater betrüge? Das ist vulgär."

Fred sagte: "Liebling, beinahe alles ist in deiner Gegenwart vulgär. Du bist aus vornehmster Familie; ich kann dir soviel Vornehmheit nicht bieten. In deinen Augen wirke ich sicherlich auch vulgär."

Kater Tom miaute. "Darf ich den Kater erschlagen?"

Susan sah ihren Mann prüfend an. "Mir scheint, du bist eifersüchtig. Wäre es dir lieber, ich verbrächte meine einsame Zeit mit adeligen Herren?"

"Davon turteln ja jede Menge um dich herum auf dem Landsitz deines Vaters."

"Ich kann den Kater nicht weggeben. Meine Mutter wäre beleidigt. Sie züchtet diese Katzen mit sehr viel Aufmerksamkeit."

"Dafür ist genau so viel Aufmerksamkeit nötig wie bei meiner Fliegerei: gar keine. Katzen paaren sich wunderbar alleine. Und ich hasse den Autopiloten."

"Von dem Paarungsverhalten der Katzen könntest du noch einiges lernen."

"Das wird hier noch peinlicher als eben im Cockpit. Vor allem deshalb, weil wir Zuschauer haben."

Fred deutete auf die Menschentraube, die sich um sie versammelt hatte. Ein Mann sagte: "Meine Frau streichelt unsere Katze - unablässig. Sollen wir Männer uns wieder ein Fell wachsen lassen, um dieselbe Aufmerksamkeit zu ergattern? Das wirft uns Millionen Jahre zurück."

Eine Frau beugte sich über Kater Tom und streichelte ihn. "Der hat wirklich seidiges Fell."

Fred schüttelte seine Haare. "Meine Haare sind auch sehr seidig. Wenn sie mal fühlen wollen."

Er bückte sich zu der Frau. Die Frau sah ratlos zu Susan hinüber. "Nun fassen sie schon sein Haar an, sonst gibt er nie Ruhe. Immer dieser Konkurrenzkampf der Männer."

Kater Tom fauchte Fred an. Eine Dogge schaute zwischen den Beinen eines Mannes hindurch. Der Kater verstummte. Die Dogge kam knurrend näher. Der Kater wollte aus dem Korb springen, doch wurde zurückgeworfen durch das Halsband, das am Korb befestigt war. Fred hob den Korb mitsamt des Katers in die Höhe. Betty zog an dem Halsband der Dogge. Jemand rief: "Komm hierher Brutus! Hier ist ein Leckerli für dich."

Die Dogge Brutus trabte in Richtung der Stimme davon. Fred sagte: "Wofür bekommt Brutus ein Leckerli?"

Susan stellte sich vor Fred und gab ihm einen Kuss. "Du bekommst auch Leckerlis. Reichlich. Du hast sie dir verdient. Rettest den hilflosen Kater Tom."

"Richtig; er war völlig hilflos. Ich glaube, ich habe einen entscheidenden Fehler gemacht. Brutus hätte mein Problem gelöst."

"Schau doch, wie dankbar Tom dich anschaut."

Fred setzte den Korb wieder auf den Boden. "Es stimmt, es liegt eine Spur von Dankbarkeit in seinem Blick."

Susan wandte sich an Betty. "Auch ihnen vielen Dank. Darf ich sie ebenfalls zum Essen einladen? Ich würde zu gerne erfahren, wie sie ihre Flugangst losgeworden sind. Ich würde meinen Mann gerne einmal auf seinen Flugreisen begleiten. Ferne Länder sehen - nicht alleine zu Hause sein."

"Gerne. Einen Trick kann ich ihnen schon verraten: Angst vertreibt man mit anderen Gefühlen, wie Vorfreude und Abenteuerlust. Gefühle verdrängen sich gegenseitig. Gedanken können Gefühle hervorrufen, verändern. Denken sie an schöne Dinge aus ihrem Leben, das drängt die Flugangst beiseite."

"Da habe ich reichlich Auswahl. Ich bin glücklich verheiratet."

Fred sagte: "Haben wir das Glück nicht bereits verdrängt durch Streit?"

"Könnten wir das klären, wenn wir alleine sind? Ein wenig verunsichern mich die Zuschauer um uns herum."

"Ich habe nur Augen für dich. Das bringt mein Beruf mit sich: man lernt sich auf das Wesentliche zu konzentrieren."

"Du wirkst verändert. Reifer. Hast du heute etwas Besonderes erlebt?"

"Fred schaute zu Betty. "Ich habe heute Nachhilfe-Unterricht bekommen in Ehrlichkeit und Selbstwertgefühl."

Robin legte seinen Arm um Betty. "Ich brauche auch viel Nachhilfe-Unterricht. - Doch mein Minnesang hat die Burgfrau besiegt und sie liegt wonnetrunken in meinen Armen."

Betty ließ sich in Robins Arme fallen. Er sagte: "Siehst du, und du hast dich nicht mal mit einem tropischen Insekt infiziert. Und doch bist du meiner Liebe verfallen. - Nur eines musst du mir versprechen: kaufe dir keine Katze während unserer Ehe."

ENDE


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